Was der Text aus Tromsø gewesen wäre: der richtige Text mit den richtigen Worten am richtigen Platz. Es wäre gewesen: der Text, der sagt was er meint und der meint was er sagt. Er hätte es geschafft. Er hätte jemanden meinen können. Er hätte etwas sagen können. Er hätte etwas heilen können. Er hätte das Zauberwort gewusst, hätte aufgelöst was aufgestaut war, hätte beantwortet was in Frage stand, hätte getröstet, hätte geklärt, wäre kein Wort zu viel gewesen, hätte kein Wort zu wenig gesagt, wär ehrlich und klar, hätte niemanden zu Unrecht beschuldigt, hätte Verantwortlichkeiten zurecht benannt, hätte sich nicht hinter Floskeln versteckt, hätte sein Heil nicht in Bildern gesucht, wäre keine Metapher geworden, wäre die Sache selbst, luzide, wäre wahrscheinlich nicht ironisch, wäre vermutlich kein Witz, wäre aber jedem verständlich, wäre aber niemals banal, nie banal, für niemanden, wäre das fehlende Puzzleteil, wäre der letzte Stein in der Mauer, würde das letzte Wort enthalten, das letzte nötige Wort vor dem Frieden, das letzte nötige Wort vor der Freiheit, das wirkliche Ende, das vorläufige, damit es wirklich beginnen kann, das Leben danach, nach diesem Wort, das neue Leben nach dem Zwischenende.
Aber der Text aus Tromsø ist nicht mehr. Der Text aus Tromsø ist verlorengegangen, in dem einzigen Notizbuch das jemals verlorenging. Es war nur ein Anfang, bleistiftgeschrieben, aber es war der richtige Anfang, der richtige Anfang für den richtigen Text – mit kleinen Fehlern vielleicht, aber richtig; mit offenen Stellen vielleicht, aber richtig; auf dem richtigen Weg – und jetzt weg. Der Text aus Tromsø ist nicht mehr, der letzte Text für jemanden, es muss nun ein Text für niemanden werden. Es wird keinen Text mehr für jemanden geben. Es gab keinen Text für jemanden, nie. Wahrscheinlich nicht, nicht absolut sicher. Mag sein, es gab ihn. Mag sein, es gibt ihn. Mag sein, es wird ihn geben. Aber der hier nicht. Denn er wird nicht reichen.

Er wird nicht heilen.
Er wird kein Ende schenken können.
Er wird unterwegs vergessen, wofür er sich auf den Weg gemacht hat.
Er wird mit niemandem sprechen.
Er wird für niemanden sprechen.
Er wird niemandes Geschichte erzählen.
Er wird niemandem gerecht.
Er wird nicht wissen, was er tut und dann tut er noch sein möglichstes.
Niemand hat nötig, dass für ihn, für sie, dass etwas für sie geschrieben würde. Und niemand hätte das Lesen nötig, das Lesen dieses Geschriebenen, es hätte niemand nötig. Und deswegen schlechtes Gewissen ob allem, das dennoch geschrieben wird, dennoch für nichts und für niemanden. In dieser Zeit. Für alle Zeit. Die Zeit, in der nichts mehr sich öffnet. Die Zeit, in der alles sich schließt. In der vielleicht die Welt ohne Zeit zurück bleibt. Vielleicht als letzte Rettung. Vielleicht nicht mal das. Vielleicht als letzte Warnung. Vielleicht nicht mal das. Vielleicht als letzter Rest. Als allerletzter Rest. Als Rest aller Letzter. Für alle Zeit. Die letzte Rettung, die niemanden rettet. Die letzte Warnung, die niemanden warnt. Für alle Zeit nichts und niemanden, niemanden retten, niemanden warnen, aber retten, aber warnen. Als letzter, allerletzter Rest. Als Rest aller Letzter. In Ewigkeit.
Wie ist es für niemanden zu schreiben? Wie ist es kein Problem zu lösen? Wer kann für niemanden schreiben? Wer kann nicht für niemanden schreiben? Nicht für nichts? Wer kann das nicht? Wer muss immer für etwas schreiben? Wer darf nur für jemanden schreiben? Wer darf nur das? Wer darf nicht das hier? Es ist bekannt. Es ist bekannt wer darf und wer nicht. Es ist keine offene Frage. Es ist keine Frage, die offen bleibt. Es ist ein offenes Geheimnis. Manche dürfen, manche nicht. Manche dürfen für niemanden schreiben, für niemanden und nichts, und manche dürfen das nicht.
Wie ist es für niemanden zu schreiben? Wie ist es, wenn niemand liest? Wenn niemand hört? Und niemand eine Antwort gibt?

Niemand verzeiht.
Niemand nimmt entgegen.
Niemand fühlt sich angesprochen.
Alles ist leer. Niemand ist da.
Niemand nimmt entgegen.
Nicht die Frage.
Nicht die Bitte.
Nicht den Wunsch.
Nicht die kalte Schulter.
Nicht die gleiche Gültigkeit.
Nicht die überspringende Handlung.
Nicht den Nachtrag.
Nicht die Scham.
Nicht die Wut.
Nicht die Implosion.
Niemand vergisst.
Niemand verzeiht.
Niemand hat Zeit.
Niemandem fehlt sie.
Niemand weiß. Niemand ahnt.
Und niemand versteht.
Und niemand sieht,
was niemand sonst sieht.
Niemand ist bewegt.
Und niemand entzückt.
Niemand weiß wie es ist.
Und niemand weiß was es heißt.

Alles ist leer. Niemand ist da.
Alles leer, niemand da.
Alles niemand.
Alle für niemand.
Und niemand für einen.